Für mehr Nachhaltigkeit und Bescheidenheit in der Architektur

Actelion-Gebäude von Herzog de Meuron in Allschwil, Schweiz.

Viele Architekten tun sich immer noch schwer mit der Einbindung energetischer und ökologischer Themen in ihre Arbeit, zum einen empfinden sie es als Einschränkung der architektonischen Autonomie, zum andern als unnötige Verkomplizierung der ohnehin schon hohen Komplexität. Da es jedoch wichtig ist, dass der Architekt als Generalist den Überblick im Nachhaltigkeitsbereich behält, sollte er die Führungsrolle bei der Umsetzung der Massnahmen und im Zertifizierungsprozess der immer wichtiger werdenden Gebäudelabels übernehmen.

Damit dieser Prozess auch Freude macht und kreativ bleibt, sollten die Labels die Ziele vorgeben und viele Wege (nach Rom) offenlassen, wie das Minergie-Eco mit seinen verschiedenen Stufen immer wieder überzeugend vorgeführt hat. Der geforderte Handlungsspielraum bedeutet jedoch nicht, dass alles was technisch oder räumlich machbar ist, auch sinnvoll ist.

Das neue neue Actelion-Gebäude von Herzog de Meuron z.B., mit seinen zentrifugal/sternförmig ausgreifenden Armen nutzt zwar voll den gestalterischen Freiraum, ist jedoch weder resourcenschonend, noch ist es räumlich oder strukturell sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass Nachhaltigkeit in der Architektur u.a. durch die Übereinstimmung von klarer, innerer Ordnung und äusserer Erscheinung zustande kommt.

Die Zeit scheint reif für eine Architektur, die Inhalte wieder stärker gewichtet als Bilder und Selbstdarstellungen. Eine Architektur, die Nachhaltigkeit resp. ökologische, soziale und ökonomische Themen ernst nimmt, ist letztlich eine klimagerechte Architektur, da nichtklimaorientiertes Bauen über den Lebenszyklus betrachtet weder ökologisch noch ökonomisch ist.

Die klassische Moderne und Nachmoderne mit den vermeintlich unbegrenzt zur Verfügung stehenden Resourcen hat – mit Ausnahmen – verlernt das Klima als entwurfsbestimmenden Faktor einzubeziehen. Die Industrialisierung und Verstädterung verlangte nach dem „International Style“, die klimafreundliche Bauweise blieb eher der ländlichen Gegend vorbehalten.

Auch der vollverglaste Prime Tower in Zürich ist „very international“, doch mit seinen thermoaktiven Bauteilen zur Kühlung und dem kompakten Volumen geht er schon eher in die Richtung eines nachhaltigen Gebäudes (Leed, Minergie, greenproperty). Mit einfachen gestalterischen Mitteln wird zudem eine prägnante, einprägsame Form geschaffen. Durch seine zentrale Lage und seine Setzung im heterogenen Umfeld leistet er einen wichtigen Beitrag zur Diskussion der städtebaulichen Verdichtung.

Im Bestand sind Aufstockungen, Anbauten und Verbindungsbauten (Kraftwerk 2) weitere Anzeichen aussenräumlicher Verdichtung, während parallel neue Wohnmodelle wie Clusterwohnungen resp. Kleinwohnungen in der Gemeinschaft (z.B. Genossenschaft Mehr als Wohnen, Tessinerkeller) auf eine innere oder soziale Verdichtung hinweisen. Damit ist auch das Thema „Suffizienz“ (in Form von weniger Fläche/Einwohner) angesprochen, das jedoch infolge breiter Gewöhnung an unseren westeuropäischen Lebensstandard um einiges schwieriger zu verwirklichen ist als „Effizienz“.

Energieeffizienz, Emmissionsfreiheit und Klimagerechtigkeit sind somit das Gebot der Stunde. „Think global – act local“ wird auch in den Städten und Stadtteilen zunehmend zur Devise werden, nicht zuletzt durch leistungsfähigere Gläser und Dämmungen sowie die Integration von solaren resp. mulifunktionalen Komponenten in die Architektur.

Autor: Guido Honegger

Guido Honegger ist dipl. Arch. ETH/SIA, Geschäftsleitungsmitglied der Vera Gloor AG und Dozent für Architektur und Energieeffizientes Bauen am Forum Energie Zürich (FEZ)