Ökobilanz von Baustoffen: Warum endlich der gesamte Lebenszyklus betrachtet werden muss

Ökobilanzen, die nicht den gesamten Lifecycle eines Materials in die Bewertung einbeziehen, sind veraltet. Sie fokussieren nur auf graue Energie, lassen Recycling und Nutzungsdauer ausser acht – und verzerren nebenbei den Wettbewerb. Daher ist es höchste Zeit, auch in der Schweiz die gleichen Bewertungskriterien zu verwenden, die im Rest Europas längst üblich sind.

Die Baubranche verlangt nach umweltgerechten und kostengünstigen und zusätzlich noch ästhetischen Werkstoffen. Das ist ein hohes Anforderungsprofil, das zum Beispiel Aluminium durchaus erfüllt. Oder?

Nicht in der Schweiz. Hier wird es im von Architekten, Planern, Ingenieuren und Beratern verwendeten Planungsinstrument „eco-devis“ in seiner Wettbewerbsfähigkeit beschnitten. Dabei stehen hinter dieser Bewertung alte Denkmodelle, die längst nicht mehr in die Zeit passen: Der Fokus liegt auf der sogenannten grauen Energie bei der Herstellung – und nicht auf der Recyclingfähigkeit und Nutzungsdauer.

Bei der Bewertung durch „eco-devis“ werden für alle Baumaterialien die gleichen Kriterien angewandt, hierzu zählt zwar auch der Recyclinganteil im Produkt, aber leider nicht die Recyclingrate am Ende der Lebensdauer. Bei Aluminium wird das damit begründet, dass das Produkt aufgrund seiner Langlebigkeit erst nach Jahrzehnten wieder dem Zyklus zugeführt wird und das Recycling von morgen nicht schon heute verrechnet werden könne. Argumentiert wird ausserdem, dass der lange Gebäudezyklus von bis zu hundert Jahren es unmöglich mache, heute schon Prognosen für die zukünftige Verwertung zu treffen. Diese zeitliche Begrenzung („Cut-Off“) trifft vor allem die äusserst langlebigen Baustoffe wie Aluminium. Es wird ökologisch deutlich schlechter beurteilt.

Das ist nicht korrekt gedacht, denn ein wertvoller und kreislauftauglicher Baustoff wie Aluminium wird schon allein aus ökonomischen Gründen auch zukünftig immer und immer wieder stofflich genutzt werden. Schon heute liegt die Recyclingquote von Aluminium im Baubereich bei deutlich über 90 Prozent– und nicht beim Durchschnittswert von 32 Prozent, den die Bewertungen mit „eco-devis“ ausweisen.

Gleiche Bewertung wie im übrigen Europa

Kurz: Die Aluminiumindustrie stellt den nächsten Generationen ein Material zur Verfügung, das mit wenig Energieaufwand wieder verwertet werden kann. Das zeigt sich vor allem, wenn man zur Bewertung die ISO-Norm 14040 ff heran zieht. Sie erlaubt es, das spätere Recycling von Materialien zu berücksichtigen.

Einer von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) durchgeführten Studie zufolge kommen Unterkonstruktionen aus Aluminiumprofilen auf „graue Werte“, die halb so hoch sind wie beim «eco-devis». Für massive Bauteile aus Aluminium ergeben sich gar Verbesserungen von bis zu 75 Prozent.

Fazit: Die Bewertung durch „eco-devis“ bringt Benachteiligungen und Wettbewerbsverzerrungen, die sich negativ auswirken, sobald bei einer Abflachung der Baukonjunktur der Konkurrenzkampf und Druck aus dem Ausland härter werden. Rund 4000 Arbeitsplätze sind dann in Gefahr – und dies nur wegen einer veralteten Ökobilanzierung

Autor: Marcel Menet

Marcel Menet ist Geschäftsführer des Auminium-Verbandes Schweiz.